Selbermachen
Im Jahr 2001 wollte ich als Betroffener im Großraum Frankfurt in eine Selbsthilfegruppe gehen für Männer, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden. So etwas gab es allerdings nicht. Darum verfasste ich einen Gründungsaufruf.
Männergruppe "Als Junge missbraucht"
Mein damaliger Aufruf führte zu einer Gruppe von drei Teilnehmern.
In der Gründungssitzung begann der erste ganz vorsichtig mit 'meine Geschichte ist eine ganz besonders ungewöhnliche Geschichte, ich wurde von meiner Mutter missbraucht.' Tja, ... wir waren alle drei genau richtig, in der richtigen Gruppe, wow! Alle drei waren wir von unseren Müttern sexuell missbrauch worden. Es gab auch weitere Täter: Väter, Großeltern, Fremde, ...
Diese Selbsthilfegruppe besteht bis heute, sie trifft sich wöchentlich in Offenbach in den Räumen des Vereins Missbrauchsthemen e.V.
Männer sind öfter Opfer als gedacht
Opfer wurden wir nicht nur in der Kirche oder in der Eliteschule. Viel häufiger geschah dies in der Familie oder im Umfeld der Familie. Und auch Männer sind gar nicht so selten zum Opfer geworden. Ebenso wie Frauen als Täter keine Seltenheit sind. Und es gibt in nennenswertem Umfang so etwas wie 'Missbrauchsfamilien', Großeltern, Eltern, weitere Verwandte: viele wurden Opfer und viele sind Täter geworden.
Das Trauma gemeinsam bewältigen
Die Auflösung, oder wenn man so will: Heilung, traumatischer Folgeprobleme ist möglich, auch vollständig. Ich stelle diese Behauptung auf, weil ich weiß, dass es si ist, weil ich es an mir selbst erlebt habe. Ich habe in Bezug auf ängste, Hilflosigkeit, Wut, Ekel, Scham keine Traumafolgebelastungen mehr. Gar keine.
Vermutlich gibt es nicht nur meinen Weg bzw. den Weg der Gruppenmitglieder von 'Als Junge missbraucht' zu diesem Ziel. Unser Weg war und ist: im Körper, im Denken, in den Emotionen alles aufspüren, was mit dem Missbrauch zu tun hatte. Eine Erinnerung beobachtend wiedererleben oder die Körperempfindung wiedererleben und das Wiedererlebte neu einordnen als das, was es ist: eine Erinnerung und keinesfalls Gegenwart. Wenn ich eine traumatische Geschichte ausreichend wieder erinnere, dann wandelt sie sich in eine 'normale' Erinnerung, sie wirkt nicht mehr wie 'jetzt'. Bei unserer Herangehensweise geht es konkret darum, den eigenen Körper zu spüren und wahrzunehmen, auf ihn zu fokussieren. Wir betreiben das alleine, in Gruppen oder zu zweit, wobei einer fokussiert und der andere ihn begleitet. Diese Methode kann auch in Psychotherapien angewandt werden, allerdings ist sie eigentlich eine typische Selbsthilfemethode.
Eine weitere Herangehensweise ist das Selbermachen, also das Trauma in eigener Verantwortung bearbeiten
Für mich war immer wichtig, dass ich die Auflösung der Traumafolgen 'selber betreibe'. Selber machen, also in eigener Verantwortung, ist mir ein ganz wichtiges Element meines Tuns. Das galt auch dann, als ich mit einem Therapeuten an meinen Themen arbeitete. Ich hole mir Hilfe, ich selbst bin aber für den Prozess verantwortlich. Und für mich gilt: wenn ich dort, wo's in mir schmerzt, hinschaue, dann werde ich die Traumafolgen auflösen! Alle!
In unserer Gruppe erlebe ich bis heute, bei mir wie auch bei anderen, ständig kleinere und größere Auflösungen, sozusagen Aha-Effekte körperliche Art oder auch als zutiefst wirkende Erkenntnis. Seit 2011 kann ich mit meinem eigenen Namen in der öffentlichkeit auftreten, weil die alten Ängste zum Redeverbot nicht mehr existieren.
Udo Gann
Im Jahr 2001 wollte ich als Betroffener im Großraum Frankfurt in eine Selbsthilfegruppe gehen für Männer, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden. So etwas gab es allerdings nicht. Darum verfasste ich einen Gründungsaufruf.
Männergruppe "Als Junge missbraucht"
Mein damaliger Aufruf führte zu einer Gruppe von drei Teilnehmern.
In der Gründungssitzung begann der erste ganz vorsichtig mit 'meine Geschichte ist eine ganz besonders ungewöhnliche Geschichte, ich wurde von meiner Mutter missbraucht.' Tja, ... wir waren alle drei genau richtig, in der richtigen Gruppe, wow! Alle drei waren wir von unseren Müttern sexuell missbrauch worden. Es gab auch weitere Täter: Väter, Großeltern, Fremde, ...
Diese Selbsthilfegruppe besteht bis heute, sie trifft sich wöchentlich in Offenbach in den Räumen des Vereins Missbrauchsthemen e.V.
Männer sind öfter Opfer als gedacht
Opfer wurden wir nicht nur in der Kirche oder in der Eliteschule. Viel häufiger geschah dies in der Familie oder im Umfeld der Familie. Und auch Männer sind gar nicht so selten zum Opfer geworden. Ebenso wie Frauen als Täter keine Seltenheit sind. Und es gibt in nennenswertem Umfang so etwas wie 'Missbrauchsfamilien', Großeltern, Eltern, weitere Verwandte: viele wurden Opfer und viele sind Täter geworden.
Das Trauma gemeinsam bewältigen
Die Auflösung, oder wenn man so will: Heilung, traumatischer Folgeprobleme ist möglich, auch vollständig. Ich stelle diese Behauptung auf, weil ich weiß, dass es si ist, weil ich es an mir selbst erlebt habe. Ich habe in Bezug auf ängste, Hilflosigkeit, Wut, Ekel, Scham keine Traumafolgebelastungen mehr. Gar keine.
Vermutlich gibt es nicht nur meinen Weg bzw. den Weg der Gruppenmitglieder von 'Als Junge missbraucht' zu diesem Ziel. Unser Weg war und ist: im Körper, im Denken, in den Emotionen alles aufspüren, was mit dem Missbrauch zu tun hatte. Eine Erinnerung beobachtend wiedererleben oder die Körperempfindung wiedererleben und das Wiedererlebte neu einordnen als das, was es ist: eine Erinnerung und keinesfalls Gegenwart. Wenn ich eine traumatische Geschichte ausreichend wieder erinnere, dann wandelt sie sich in eine 'normale' Erinnerung, sie wirkt nicht mehr wie 'jetzt'. Bei unserer Herangehensweise geht es konkret darum, den eigenen Körper zu spüren und wahrzunehmen, auf ihn zu fokussieren. Wir betreiben das alleine, in Gruppen oder zu zweit, wobei einer fokussiert und der andere ihn begleitet. Diese Methode kann auch in Psychotherapien angewandt werden, allerdings ist sie eigentlich eine typische Selbsthilfemethode.
Eine weitere Herangehensweise ist das Selbermachen, also das Trauma in eigener Verantwortung bearbeiten
Für mich war immer wichtig, dass ich die Auflösung der Traumafolgen 'selber betreibe'. Selber machen, also in eigener Verantwortung, ist mir ein ganz wichtiges Element meines Tuns. Das galt auch dann, als ich mit einem Therapeuten an meinen Themen arbeitete. Ich hole mir Hilfe, ich selbst bin aber für den Prozess verantwortlich. Und für mich gilt: wenn ich dort, wo's in mir schmerzt, hinschaue, dann werde ich die Traumafolgen auflösen! Alle!
In unserer Gruppe erlebe ich bis heute, bei mir wie auch bei anderen, ständig kleinere und größere Auflösungen, sozusagen Aha-Effekte körperliche Art oder auch als zutiefst wirkende Erkenntnis. Seit 2011 kann ich mit meinem eigenen Namen in der öffentlichkeit auftreten, weil die alten Ängste zum Redeverbot nicht mehr existieren.
Udo Gann