Alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum
Meine Geschichte als kleiner Junge, vom Sex mit meiner gewalttätigen Mutter, von den Folgen dieses Traumas im Erwachsenenleben und viel von meiner Heilung. Und eine Geschichte von meinen Stärken und Vorlieben. Eigentlich eine optimistische Geschichte.
Sex und Gewalt mit Mutter
Geboren 1955 im Schwäbischen, wurde ich ab meiner Geburt bis zum Alter von 13 Jahren von meiner Mutter sexuell missbraucht, auch geschlagen. Wie es mir ging, war irgendwie nicht wichtig, niemandem, außer mir.
Mein Vater half mir nicht, er wusste vom Missbrauch meiner Mutter und hat sie geschützt. Nach außen und vor allem mir gegenüber. Als ich mich im Alter von drei Jahren bei ihm über Mutter beschwerte, sagte er „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum.“ Tja, falls mir das nicht passte, hatte ich eben Pech gehabt. Er war ein Lügner und Mittäter.
Danach hatte mich Mutter eiskalt erwischt. Sie würgte mich, im Stehen. So zeigte sie mir, wie sie weiteres Reden bestrafen würde. Ich bekam einen riesigen Schreck und zitterte am ganzen Körper. Es wurde mir heiß und kalt. Die direkte Morddrohung hatte was. Es entstand keine Verwirrung, es war eine klare Sache: wenn du redest, töte ich dich.
Die erste schwere Begebenheit geschah, als ich 6-8 Wochen alt war. Meine Mutter ließ mich an der Brust trinken. Solange, bis ich genüsslich am nuckeln war. Dann nahm sie mich von der Brust weg und schob meinen Kopf zwischen ihre Beine, um dort weiter zu nuckeln. Als sie ihren Orgasmus hatte, hat sie mich beinahe erstickt. Keine Luft, Nase verstopft, Mund voll, und satt wurde ich dabei auch nicht. Diverse Folgen gehen bzw. gingen auf dieses Ereignis zurück. Mein linkes Nasenloch fühlt sich häufig verstopft an. Beim Einschlafen hatte ich lange das Gefühl, meine Halskette würde mich würgen. Noch esse ich eher schnell, denn die Mahlzeit könnte mir von jemandem weggenommen werden.
Sex mit Mutter hörte so bald nicht mehr auf. Mit zwei bis drei Jahren befriedigte ich sie auf dem Elternbett mit der Hand und mit dem Mund, sie nahm meinen Penis in den Mund und lutschte daran. Oder sie spielte mit den Händen und dem Mund daran herum. Oft endete solcher Sex in Gewalt oder in Vorwürfen. Ich war zu klein, um ihr jedes Mal einen Orgasmus machen zu können. „Ich müsste es besser können, ich bin nicht gut genug“ ist ein Grundgedanke, den ich daraus entwickelt und auf mein ganzes Leben übertragen habe, insbesondere auf mein Verhalten gegenüber Frauen. Diesen Gedanken entwickelte ich nicht selbst, so doof war ich auch als kleiner Junge nicht. Sie trichterte ihn mir jahrelang ein. Und ich begann ihr zu glauben.
Nun, sie brachte mir bei, immer besser zu werden. Sie lockte, sie versprach mir tolle Erlebnisse, ich würde das doch alles auch wollen, ich müsse sie nur so befriedigen, wie sie das mag. Ungefähr acht Jahre alt war ich, als sie anfing, mit mir zu ficken. Sie setzte sich auf mich, steckte meinen kleinen erigierten Penis in sich und ritt auf mir. Ich dissoziierte, ich war geistig nicht mehr da, ich schwebte mit den Beinen voraus durchs Haus nach draußen ins Dorf.
Sie hat mich geschlagen, sie hat mir mit dem Tod gedroht, sie hat mich fast getötet. Als kleiner Junge wusste ich keineswegs, dass ich diese Kindheit überleben würde. Ich war höchstens drei Jahre alt und kam zu Mutter in die Waschküche. Sie war gerade beim Schleudern von Wäsche und für mich völlig unerwartet, unberechenbar, ohne Begründung, einfach nur aus ihrer Willkür packte sie mich und steckte mich in die Wäscheschleuder. Sie schleuderte mich, bis ich bewusstlos wurde. Dann zerrte sie mich aus der Maschine, stellte mich auf die Beine, die knickten weg, sie stellte mich nochmals auf die Beine. Dann torkelte ich davon. Ein gewaltiger Schreck und ungläubige Überraschung warfen mich auf mein Bett. Mutter handelte im Affekt und gefährdete mein Leben mal eben so zufällig.
Mein Vater half mir nicht, meine Schwester war zwar älter als ich, aber doch zu klein, andere Menschen wussten nichts oder sie halfen nicht. Überlebenskraft fand ich außerhalb des Hauses meiner Eltern. Ich spielte mit anderen Kindern im Dorf und um das Dorf herum. Mit fünf bis sechs Jahren begann ich meine Liebe zum Lesen von Büchern zu entwickeln.
Meine Mutter hatte aufgehört, bevor ich 13 wurde. Sie befürchtete, dass sie erwischt werden könnte, dass meine Schwester es mitbekommen könnte. Denn als ich 12 war, ging meine Schwester gemeinsam mit mir auf das selbe Gymnasium. Die Gelegenheiten für Mutter mit mir alleine waren dadurch selten geworden. Für das Ende von Sex mit ihr hat sie mir Schuld- und Schamgefühle eingeredet.
Ich hatte überlebt. Es gab Zeiten, da glaubte ich nicht daran, da habe ich versucht, mich selbst zu töten. Aber, ich war 16 Jahre alt geworden, lebte, und war mir sicher: sie kriegt mich nicht! Meinen Körper hatte sie, meine Seele halb, aber mein Innerstes nicht! Das feierte ich im Sommer nach meinem 16. Geburtstag, indem ich mit rauchen begann. Ich durfte rauchen, ich war 16 und fast erwachsen. Ich hatte es geschafft, ich hatte den Missbrauch durch meine Mutter überlebt. Seht her, Leute: ich habe das Alter, darf rauchen, und ich lebe!
Nach dem Abitur habe ich mein Elternhaus verlassen.
Probleme als Erwachsener und irrationale Grundgedanken
Ich wurde zu einem Menschen, der kein Vertrauen hatte, außer zu mir selbst. Kam ich mit Nähe nicht zurecht, ging ich auf Abstand. Was mir wichtig war, musste ich selbst machen, nur nicht abhängig oder gar hilflos werden. Meine Kindheit zu überleben, führte zu einer langen Kette von Schwierigkeiten als Erwachsener. Aber auch zu einer fast unendlichen Kraft, Ausdauer und Energie. Wer aus solcher Kindheit hervorgeht, der ist ein Energiepaket.
Ich habe also studiert, eine Frau gefunden, nochmal studiert, zwei Töchter bekommen, war in einem Konzern als Ingenieur tätig und vor allem als Betriebsrat. Das alles passte gut zu mir. Als Betriebsrat musste ich mich der Unternehmensleitung nicht unterordnen, was ich nicht gut konnte. Ich mochte und mag keine Autoritäten, es sei denn, sie sind es wegen ihrer Fähigkeiten und nicht wegen ihrer Macht.
Bei der Geburt meiner Töchter war ich glücklich, dass es Mädels waren, beide Male. Ohne dass ich in jener Zeit den Satz bewusst kannte, wirkte „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ ganz tief in mir und ließ mich Töchter wünschen. Und ich bekam sie ja auch, also kein Stress.
„Männer sind Pfeifen und Frauen sind gefährlich“ war mein Grundgedanke über die Menschen. Männer können mir nicht helfen, wenn ich mir selbst schon nicht helfen kann. Das machte mich unabhängig, aber es war auch sehr anstrengend. Zum Glück ist das heute vorbei, wenn auch noch nicht lange. Bei Frauen muss man auf Distanz bleiben, sonst wird es gefährlich. Ich hatte nicht etwa ständig wechselnde Beziehungen - aber meinen Kampf um die Distanz, nicht untergehen wollen in der Beziehung. Und: ich müsste besser sein in der Beziehung, ich bin nicht gut genug. Wenn es in meinem Kopf hart auf hart zuging: Wünsche der Partnerin gegen meine grundlegenden eigenen Wünsche, dann war ich immer bei mir. Das machte stark und … einsam.
Hier eine Auflistung aller Grundgedanken aus meiner Kindheit, mit denen ich jahrzehntelang als Erwachsener Probleme hatte:
- Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich.
- Ich bin nicht gut genug, ich müsste das besser können.
- Bloß nicht hilflos werden: dieser Gedanke war der schlimmste, er bedeutete extreme Angst, Panik.
- Ich bin nicht wichtig, außer für mich.
- Ich bin wertlos.
- Ich darf nicht missachtet werden.
- Alles Wichtige muss ich selber tun.
Es gibt auch Grundgedanken, die ich als Lebensleitlinien behalten will:
- Ich will ein guter Mensch sein.
- Wissen und Erkenntnisse sind wichtig.
Sexualität: Natürlich kann es kaum sein, dass in diesem Bereich mein Leben zufriedenstellend verlief. Oder doch? Ich war jedenfalls bereits rund 40 Jahre alt, bis mir auffiel, dass da einiges so ganz und gar nicht stimmte. Es stimmte auch vorher schon nicht, nur hatte ich nicht darüber nachgedacht und die Probleme sozusagen vor mir selbst versteckt.
1994 trennte ich mich von der Mutter meiner Töchter. Und ich fand eine neue Partnerin, meine große Liebe. Da sie sehr viel mehr Nähe wollte, als ich gewohnt war, gab es häufiger Schwierigkeiten in der Beziehung. Hohe Hochs und tiefe Tiefs. Das führte dazu, dass ich ab 1996 begann, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Erstes Buch: „Das Drama des begabten Kindes“ von Alice Miller, zweites Buch, „Das Kind in uns“ von John Bradshaw.
Ich begab mich auf eine ungeheuer spannende Reise, und ich wusste das. Bücher folgten noch viele. Ich entdeckte nach und nach die zuvor genannten Grundgedanken. Von meinen Missbrauchserlebnissen wusste ich nichts. Meine Sexualität nahm ich bewusster wahr und entdeckte einen großen Packen Zwanghaftes.
Siehe da, ich hatte zwei Sexualitäten entwickelt: eine in etwa „normale“ Sexualität mit meiner Partnerin und eine „kaputte“ Sexualität mit bizarren Fantasien, Pornobildern, Pornokino, eine Sexualität mit mir selbst. Im Sommer 1999 waren meine Partnerin und ich gerade dabei, erotische Fantasien in unser bisheriges Beziehungsleben integrieren zu wollen. Daraus hätte sich vielleicht ergeben, dass ich aus meinen beiden Sexualitäten eine hätte entwickeln können. Kam aber ganz anders.
Wiedererinnern des Missbrauchs
Beim Abklingen eines ganz besonders intensiven Orgasmus, meine Partnerin und ich lagen noch eng umschlungen, hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis. In meinem Kopf hatte es geklingelt und geleuchtet. Es war ein unglaublich intensiver Wachtraum.
Als erstes sah ich den kleinen Udo, der um Hilfe schreit, aber keinen Ton herausbringt, und deshalb die Hand hochhält, es hilft jedoch niemand.
Als zweites erlebte ich einen Schnelldurchlauf durch meine Erinnerung aller Beziehungen zu gleichaltrigen Mädchen und Frauen seit meiner Kindheit.
Als drittes eine Gewaltfantasie. „Das, ficken, kannst du nicht, das kann nur ich“… schreie ich meine Mutter an, während ich sie ficke ohne darauf zu achten, ob sie das will oder nicht. Dann werde ich zum Wolf und versuche sie zu töten, kann sie aber nur leicht zerkratzen. Dann wächst aus ihrem Unterleib ein Haifischkopf, den ich zerquetschen will, es aber nicht schaffe. Dann gehe ich als Wolf traurig und einsam fort.
Ich brauchte nur wenige Tage und einige Bücher, um zu begreifen, dass ich keine beliebige Vergewaltigungsfantasie hatte, sondern dass ich von meiner Mutter sexuell missbraucht worden war.Ich hatte eine Erinnerung!
Das war im September 1999.
Zu dieser Zeit hatte ich mich seit drei Jahren viel mit mir selbst beschäftigt, mit der Entdeckung des Missbrauchs wurde meine Innenschau jedoch noch intensiver. Unglaublich spannend, welche Energien in mir, in den Entdeckungen über mich steckten.
Ich habe unzählige Bücher verschlungen, meine Freundin geliebt, mich mit ihr gestritten, und wieder geliebt, sozusagen nebenher habe ich als Vermögensverwalter an der Börse für mich und die Kunden viel Geld verdient, bin in eine supertolle Wohnung umgezogen …
Fünf Jahre intensives Leben bis 2001, intensive Emotionen, mit vielen Erkenntnissen und Entdeckungen, Wut, Angst und Trauer.
Erste Heilungsschritte
Lesen
Ich lese viel und gerne. Inzwischen besitze ich eine ganze Menge Bücher über psychologische Themen. Das sind Geschichten von Betroffenen, Bücher über Therapieformen insbesondere Trauma-Therapie, Romane, Entwicklungspsychologie, Gefühle, Empfindungen, Bücher der Gehirnwissenschaftler.
In meinem Kopf fanden sich häufig festgefahrene Ansichten zu Themen und Problemen, die ich selbst während meiner traumatischen Kindheit erlebte. Daran änderte sich einiges.
Wissen ist wichtig.
Kontaktabbruch zu meiner Mutter
Ich hatte den Missbrauch wiedererinnert 1999, da war ich 44 Jahre alt.
Daraufhin hatte ich meine Mutter in einem Brief mit meinem neuen Wissen konfrontiert und als Wiedergutmachung von ihr gefordert: Gib es zu! Berichte mir über die Dinge, die du in meiner Kindheit sexuell mit mir gemacht hast!
Wie erwartet hatte sie bestritten. Ich brach den Kontakt ab. Ebenso zu Vater und Schwester. Meine Schwester konnte mir nicht glauben. Mein Vater 'glaubte' mir ebenfalls nicht: dass er ein Lügner war, wusste ich noch nicht.
Selbsthilfegruppe
Ich suchte und fand andere Männer, um eine Selbsthilfegruppe ‚Als Junge missbraucht‘ zu gründen. Seit 2001 besteht diese Gruppe und es ist eine tolle Einrichtung. Gäbe es sie nicht, würde ich sie gründen! Wir treffen uns wöchentlich, erzählen, fragen nach, helfen und lösen Probleme. Inzwischen habe ich zwei weitere Selbsthilfegruppen gegründet. Die Mitglieder sind Frauen und Männer. Das war für meine persönliche Entwicklung außerordentlich wichtig.
Innere Bilder
Über viele Jahre hinweg habe ich intensiv mit inneren Bildern gearbeitet.
Ich habe einen inneren Wohlfühlort entwickelt. Das ist ein etwas verwilderter Garten in meiner Fantasie, den außer mir niemand finden kann, in dessen Zentrum eine Badewanne steht.
Ich liebe baden! Ein Tischchen neben der Wanne mit Buch, Kaffee, Zigaretten, Telefon. So kann ich mich für Stunden wohlfühlen.
Mit der Methode Innere Bilder habe ich eine innere „Familie“ entwickelt. Die einzelnen Figuren stellen Anteile von mir selbst in meiner inneren Wahrnehmung dar. Da gibt es einen kleinen Jungen, ein kleines Mädchen, einen Wolf, einen jüngeren erwachsenen Mann und eine Frau, einen Denker, und vorübergehend auch Täteranteile von Vater und Mutter. Außerdem ab 2011 einen Teenie, ein Baby und den Grauen.
Mit dieser Methode war ich in der Lage, den Täteranteilen in mir einen korrekten, akzeptablen Platz zuzuweisen. Enttäuschung über Vater und Wut über Mutter schienen damit abgeschlossen.
Meine Mutter habe ich auf meiner „inneren Bühne“ wahrscheinlich 50 Mal umgebracht: mal schnell und hart, mal ganz genüsslich gefoltert und gequält. Der richtige Weg, weil nur der sich gut anfühlte, war dann, ihr Geschlecht zu zerstören. Indem ich den aus ihrem Unterleib wachsenden Haifischkopf mit einer Drahtschlinge herausriss.
Meinem Vater schnitt ich die Zunge ab. Wie ich fand, eine angemessene Lösung für einen Lügner.
Danach saß er auf einem Stuhl und las Simmel. Meine Mutter saß daneben in einem Sessel und strickte.
Im Sommer 2011, kurz vor dem Ende meiner Trauma-Bearbeitung flogen dann doch beide aus der inneren Familie hinaus. Mutter wurde vom Wolf gerissen - dismal mit Erfolg. Und Vater wurde als Lügner gebrandmarkt und als vogelfrei ausgestossen.
Neue Entdeckungen seit Anfang 2010
EMDR
Die bislang am weitesten gehenden Entdeckungen begannen mit einer EMDR-Sitzung (EMDR ist eine der Trauma-Therapie-Methoden: dabei bewegt der Klient die Augen schnell von rechts nach links und zurück. Dies bewirkt eine verbesserte Verknüpfung der beiden Gehirnhälften miteinander. Dadurch kommen traumatische Erinnerungen leichter an die Oberfläche und können verarbeitet werden) mit meinem Therapeuten. Es war eine Fantasiereise in meine Erinnerungen.
Tagebucheintrag 15.1.2010:
ich bin zwei Jahre alt, liege auf dem Küchentisch, habe die Hose heruntergelassen. Meine Mutter spielt an meinem Penis mit den Händen. Dann ist sie zwischen meinen Beinen, hat mich zum Rand des Tisches gezogen. Meine Knie sind angewinkelt. Sie saugt und knetet meinen Penis.
Der wird steif und riesengroß. Sie trägt einen hellen Unterrock und reibt sich im Stehen mit meinem Riesenpenis die Scheide. Dann beugt sie sich zu meinem Gesicht und ich lecke ihre Brustwarzen. Dann richtet sie sich wieder auf und steckt meinen Penis in ihre Scheide, er ist immer noch überdimensional groß.
Plötzlich hat sie den Penis und ich die Scheide, dann wieder zurück. Sie dreht sich um und steckt sich meinen Penis von hinten in ihre Scheide. Plötzlich wird er kleiner, normale Kindergröße und es bilden sich Tropfen. Sie knuddelt den Penis, nimmt ihn in den Mund, aber er wird noch kleiner und weich. Ich will weg, sie hält mich mit der zweiten Hand auf meiner Brust fest.
Dann wird sie sauer, stößt mich über den Tisch, ich falle auf der anderen Seite auf die Sitzbank herunter. Sie verlässt die Küche und knallt die Tür zu. Ich setze mich auf und bin ganz traurig. Wieder habe ich es nicht hinbekommen, dass sie zufrieden ist. Ich will hier weg.
Sie kommt zurück und jagt mich aus der Küche, ich gehe ins Wohnzimmer und setze mich in die hintere Ecke neben dem Wohnzimmerbuffet. Dort weine ich still, ich will hier weg, ich kann mich nicht bewegen.
Dann kommt meine Mutter ins Wohnzimmer, zerrt mich aus der Ecke und schlägt mich gegen Kopf oder Hals, da stürze ich auf die Couch und bleibe da liegen. Ich rolle mich in einer Ecke der Couch ein. Dort liege ich sehr, sehr lange. Jahrelang. Ich will weg hier, keiner hilft mir, hoffentlich ist es bald vorbei, ich kann mich nicht bewegen, ich schütze mein Innerstes, das kriegst du nicht. Ich zittere, es ist mir schlecht, es kotzt mich an. Ich muss pinkeln, mir tut der Kopf weh. Hoffentlich ist es bald vorbei, wann ist es endlich vorbei?
Dann wird plötzlich für einen Moment aus dem Kleinkind ein Erwachsener und wieder zurück. Dann kommt Bewegung in den kleinen Jungen, er setzt sich auf, er wird größer und älter, 10 – 12 – 15 Jahre. Er steht auf und geht zur Wohnzimmertüre hinaus, fühlt sich stark, geht auch zur Haustüre hinaus. Auf der Außentreppe riecht er die Luft und spürt den Wind. Es fühlt sich gut an, dann geht er die Treppe runter und setzt sich auf die unterste Stufe. Da wird er zum 5jährigen, der ein Buch hat, und zum Erwachsenen, wieder zurück, wieder vor, mehrfach.
Dann steht der Erwachsene auf, der Kleine springt ihm auf den Arm, lehnt seinen Kopf an Schulter und Brust des Großen. Der Große, ich heute, gehe zu meinem Auto, steige ein und fahre los. Ich fahre eine Schleife im Dorf und komme nochmals am Haus vorbei. Da steht meine Mutter auf der Außentreppe und fuchtelt mit den Armen: gib mir meinen kleinen Jungen zurück, ich will ihn wiederhaben. Ich lache, ich freue mich und der kleine Junge neben mir und in mir lacht auch. Ich fahre weiter und öffne das Verdeck. Dann fahre ich nach Hause, nach Frankfurt, esse und trinke in einer Raststätte. Dann komme ich in Offenbach an, im Zimmer des Therapeuten, ich beginne meine steifen Beine und Hände zu bewegen, habe Kopfschmerzen von EMDR und muss dringend zur Toilette.
Kommentar: die am Beginn der Sitzung genannte Aussage, dass ich beim Missbrauch hilflos sei, fühlte sich danach ganz anders an. Ich bin nicht hilflos, ich habe den Terror von ihr aus eigener Kraft überstanden. Es hat Jahre gedauert, aber ich war nicht hilflos. Sie hat mich nicht zerstört, ich habe es geschafft.
Danach hat es wochenlang in meinem Kopf gearbeitet, ohne dass etwas davon in mein Bewusstsein kam. Auch nach der zweiten EMDR-Sitzung im Februar war das so.
In dieser Zeit hatte ich wieder Kontakt zu meiner Schwester, sogar recht intensiven. Sie war an Krebs erkrankt und verstarb im Juni 2010. Da sie im selben Haus lebte wie meine Mutter, entstand auch zu dieser wieder Kontakt. Der bekam mir nicht gut. Auch das Elternhaus betrat ich dadurch wieder. Damit hatte ich Kontakt zum Tatort. Dieses Haus wird jetzt gerade verkauft. Ob die Kontakte zu Täterin, Tatort und Umfeld eine Rolle spielten bei meiner weiteren Entwicklung weiß ich nicht, mein Therapeut meint ja. Ich glaube, dass die EMDR-Sitzungen die wichtigere Grundlage wurden.
Urvertrauen
Anfang Oktober 2010 hatte ich in mehreren Träumen die Integration des inneren kleinen Mädchens erlebt. Bislang war mir dieses kleine Mädchen noch ziemlich fremd. Ich wusste nur, dass sie es war, die den Sex mit Mutter aushalten musste. Der kleine Junge war der mit der Angst vor Hilflosigkeit, der Panik, dem Stress im Vorfeld. Wenn es losging mit dem Sex durch meine Mutter, wurde der kleine Junge zum kleinen Mädchen.
Plötzlich verschmolz dieses kleine Mädchen im Traum in der Person von Scotty aus Raumschiff Enterprise mit mir. Der Vorgang war nicht ängstigend, aber was sie mitbrachte, sehr: Mutters Brutalität, mein Leid und meine Verzweiflung.
Ich entdeckte, dass mein zwanghafter Drang zu Pornografie kein wirklicher Automatismus war. Ich saß nicht einfach da und plötzlich überfiel mich der Drang, Pornofilme im Internet anzuschauen. Nein, ich saß da und es überfiel mich Leere. Um die nicht zu spüren, schaute ich Pornobilder, ich betäubte mich damit!
Und dann kam er, der spannendste Tag seit der Geburt meiner beiden Töchter, der 20. Oktober 2010.
Morgens um drei oder vier Uhr konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte ein unlösbares Problem, das Problem mit dem Tod, gelöst.
Tagebucheintrag 20.10.2010:
Tod:
„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich mir nichts mehr vorstellen kann. Wie löse ich das auf?“ Dieser Satz ist viele Jahre alt. Damit endete bisher jede Beschäftigung mit dem Tod.
Heute Nacht entdeckte ich den ersten Lösungsansatz meines Lebens: „Vertraue auf dich. Wenn es so weit ist, wirst du es wissen.“
Diese Antwort kam aus meinem tiefsten Inneren. Von Gott, oder meinem göttlichen Kind, oder vom kleinen Mädchen…
Klingt mystisch? Schlagartig ging es nicht mehr um das Rätsel des Todes, sondern um viel mehr: mein Leben! Ich hatte soeben einen großen Brocken Urvertrauen zu mir und zum Leben bekommen. Urvertrauen, nichts wirklich Mystisches, sondern etwas zutiefst Menschliches. Und damit ging es richtig los!
Auflösung oder Veränderung aller problematischen Grundgedanken
Meine größte Angst war die Angst vor Hilflosigkeit. „Ich muss mir immer selbst helfen können, bloß nicht hilflos werden“. Wenn ich mir jetzt hilflose Situationen vorstelle, empfinde ich „vertrau auf dich. Es wird irgendwie eine Lösung geben.“
Die Angst vor Hilflosigkeit gibt es nicht mehr!
Leere gibt es nicht mehr!
Was ist das, Leere? Hatte ich damit mal Probleme? Es ist: Schwere, Morast, Ekel, Hilflosigkeit, die Leere ist nicht leer.
„Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich“. Mein Vater hat beim Missbrauch meiner Mutter geholfen, er ist Mittäter. Dass mein Vater mir nicht geholfen hat, war eine verkehrte Betrachtung. Er war kein „Nichthelfer“, er war ein „Mittäter“. Er hat mich mit dem Satz „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ mit voller Absicht angelogen. Es war ihm sogar recht, dass ihn sein kleiner Sohn für eine Pfeife hielt. Hauptsache, der Sex durch die Mutter wird nicht entdeckt. Vati, die Pfeife, wurde zu Fritz, dem Lügner und Mittäter.
‚Männer sind Pfeifen‘ gibt es nicht mehr!
Mein Vertrauensproblem gibt es nicht mehr! Ab sofort ist es korrekt zu sagen: ich habe ein Problem mit Lügen. Die, die ich als Kind als Wahrheiten gelernt hatte und in meinem Gehirn zu automatisierten Gedanken oder Gefühlen oder Handlungsanweisungen entwickelt hatte. Wo mein Vater mich belogen hatte, wo meine Mutter mich belogen hatte. Seither achte ich auf solche möglichen Lügen.
‚Ich bin nicht wichtig‘ und ‚ich bin wertlos‘ gibt es nicht mehr!
Die anderen Grundgedanken haben ihre Schärfe verloren, sind vom „müssen“ zum „sollen“ herabgestuft, Wut zu Ärger.
Meine Sexualität heute: Vor 10 Jahren war es eine gute Lösung, zwei Sexualitäten zu haben. Konnte ich doch die „normale“ Sexualität genießen und die „kaputte“ dem Missbrauch zuordnen und verteufeln. Seither hat sich viel verändert. Erst ganz langsam, in den letzten Monaten immer schneller. Meine „kaputte“ Sexualität ist nicht mehr zwanghaft. Ich kann sie sogar gezielt benutzen, um mich zu betäuben, wenn ich das für nötig halte. Was häufiger der Fall ist. Die zwei Sexualitäten werden langsam zu einer…
Die Geschwindigkeit, mit der sich die gesamten Grundgedanken veränderten, war unglaublich. Am Abend des 20.10. war keiner mehr wie zuvor.
Vor dem Jahr 2010 dachte ich, dass ich vielleicht 10% einer möglichen Heilung erarbeitet hatte, und war mir nicht sicher, ob es Heilung überhaupt gäbe, wenn man als Kind sexuell missbraucht wurde. Heute glaube ich, dass es erstens Heilung gibt, und dass ich zweitens 80% davon erarbeitet habe. So gewaltig sind die Entwicklungen des Jahres 2010 und auch 2011. Ich habe noch nicht alles erzählt, es geht weiter.
Auflösung von Traumata
Mit der Beseitigung der meisten irrationalen Grundgedanken ist meine Heilung noch nicht am Ende. Ich habe entdeckt, wie ein Trauma aufgelöst werden kann. Dazu will ich die Geschichte erzählen, wie ich die Verzweiflung meiner Kindheit aus meinem Körper und meinem Kopf vertreiben konnte. Es war ein aktiver Vorgang. Ich war aktiv. Und ich hatte Hilfe von zwei Selbsthilfegruppen und einem Therapeuten. Und: ich konnte Hilfe einfordern und annehmen. Schließlich war der alte Grundgedanke ‚Männer sind Pfeifen und können mir nicht helfen‘ nicht mehr wirksam.
Ende November 2010: Seit längerem hatte ich klar erkennbar ein Gefühl von Leere: immer wieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte es gar nicht aushalten. Dann hatte ich hin und wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens ein paar Sekunden nachzuspüren. Dabei hatte sich herausgestellt, die Leere war gar nicht leer, sondern sie bestand aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch.
Nach dem Ende meiner größten Angst, der vor Hilflosigkeit, konnte ich dieses schwere Gefühl im Bauch öfter zulassen. Das steigerte sich dann soweit, bis ich es täglich fast durchgängig spürte und halbwegs ertragen konnte.
Es fühlte sich an wie eine elastische Blase, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampe befindet, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt ist.
In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich dann auf die Idee, es könnte so etwas sein wie psychischer Schmerz, oder Demütigung, oder Verzweiflung, oder alles zusammen, oder noch mehr.
Ich hatte dann beim nächsten Selbsthilfegruppe-Treffen die anderen Mitglieder gefragt, wie sich denn Demütigung, psychischer Schmerz oder Verzweiflung körperlich anfühlen würden. Da kamen einige interessante Beschreibungen zusammen und eine hat mich innerhalb kurzer Zeit, nämlich bereits beim Nachhauseweg, total getroffen: Das schwere Gefühl war plötzlich weg und ist nicht mehr aufgetreten.
Es war Verzweiflung. Die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens. Als ich den Sex mit meiner Mutter nicht wollte, als ich wollte, dass sie aufhört, als ich vergeblich meinen Vater informierte, als es mal zwischendurch weniger wurde, als es dann sogar schlimmer wurde, weil sie begann, mit mir zu ficken, als es Jahre um Jahre dauerte und nicht aufhörte, als ich mehrfach versuchte, mich selbst zu töten. Als ich dann endlich mit 12-13 Jahren glauben konnte, dass ich den Missbrauch überleben könnte, weil ich dachte, ich schaffe es, bis ich 16-18 Jahre alt bin. Und ich schaffte es!
Das schwere Gefühl und die Geschichte dazu, also die Verzweiflungsgeschichte, gleichzeitig in meinem Bewusstsein zu haben, bewirkten, dass ich beides als sehr harte, aber als zusammengehörende Erinnerung im Gedächtnis abspeichern konnte. Das Gefühl spukt nicht mehr in mir herum und kann sich nicht mehr als Handlungsanweisung auswirken. Dieser Teil meines Kindheitstraumas ist erledigt.
Meine Schlussfolgerung: Habe ich ein schweres Gefühl in mir oder eine üble Geschichte, dann gehe ich auf die Suche nach dem Gegenstück. Wenn ich das wirklich wahre Gegenstück gefunden habe, habe ich eine gute Chance, dass sich das Trauma bzw. ein Teil des Traumas auflöst.
Habe ich kein Gefühl, sondern eine zwanghafte Handlung, so suche ich nach dem Gefühl, welches durch die Zwangshandlung verdeckt wird: Ich versuche, ganz genau in meinem Körper zu beobachten und zu spüren, was da passiert in den Sekunden vor der Zwangshandlung. Mein Ziel ist nicht, die Zwangshandlung zu unterlassen, sondern das verdeckte Gefühl zu entdecken.
Nicht alles, was heute noch Probleme verursacht, ist auf den Täter zurückführbar. Vater, Mutter, Täter: Sie alle haben große eigenständige Bedeutung. Bei mir betrifft diese außer Mutter noch meinen Vater. Einige meiner Grundgedanken hatten mit ihm zu tun. Und vor allem: ich war 3(!) Jahre alt, als ich mich bei ihm über Mutter beschwerte. Er hätte mir 10(!) weitere Jahre Missbrauch ersparen können. Darum hatte meine Auseinandersetzung mit ihm eine große Bedeutung bei meiner Heilung.
Es gibt noch einen zentralen Punkt: Die Schweigemauer musste weg. Ganz weg. Der Beginn dieses Vorgangs war die Wiedererinnerung des Missbrauchs im Jahr 1999, das Ende ein Fernsehbericht des HR über mich im Februar 2011.
Heilung, oder: die Auflösung von Traumata, ist meiner Meinung nach ein Vorgang, der lange dauert, vielleicht gar nicht endet. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht ständig mit heilen beschäftigt bin. Ich bin mit essen beschäftigt, mit lesen, mit lieben, mit heilen, mit arbeiten …
Meine Ressourcen
„Vor kurzem war ich bereits die dritte oder vierte Woche hintereinander kaum arbeitsfähig. Ich war depressiv. Nicht ein einziges Mal habe ich es zum Krafttraining geschafft. Abends konnte ich mich nicht auf die Nachrichten konzentrieren und morgens kam ich vor 10 Uhr nicht aus dem Bett.“
Soll ich die vier Wochen wirklich so beschreiben? Oder vielleicht eher so:
„In den letzten drei bis vier Wochen saß ich jeden zweiten Tag auf dem Balkon, habe gelesen und teilweise in der Sonne gebräunt. In meinem Lieblingscafé war ich ebenfalls mehrfach, habe Kaffee getrunken, Menschen beobachtet, gelesen, Notizen gemacht. Ich liebe lesen. Und wenn es nicht regnete, fuhr ich fast täglich mit dem Fahrrad am Main entlang. Abends saß ich dann gelegentlich in der Badewanne mit Buch, Kaffee, Papier, Stift, Telefon, genoss die feuchte Wärme und entspannte mich.“
Beide Versionen sind „wahr“.
Weil ich die zweite Version sehr gerne mag, liste ich anschließend meine Stärken auf. Auf neudeutsch: meine Ressourcen. Was kann ich? Was mag ich gerne? Das Wichtig nehmen dieser Ressourcen führt dazu, dass mein Tagesablauf immer angenehmer und optimistischer wird.
Meine Ressourcen in meinem Innern:
- ich kann selbständig relativ autark leben
- ich denke analytisch
- ich kann komplexe Probleme lösen
- ich arbeite mit inneren Bildern
- ich kann mir Wissen jederzeit aneignen
- ich habe umfangreiches Wissen
- ich habe einen inneren Wohlfühlort
- ich bin intelligent
- ich bin neugierig
- ich bin geduldig
- ich kann mich einfühlen
- ich kann kreative Ideen entwickeln
- ich kann mich nach innen konzentrieren
- ich kann mich gut beobachten
- ich kann Gefühle betäuben
- ich bin hilfsbereit und ehrlich
Meine Ressourcen außerhalb von mir:
- Ich habe Freunde
- ich bin in Selbsthilfegruppen verankert
- Badewanne
- interessante berufliche Tätigkeiten
- ausreichend Vermögen
- meine Töchter
- ich bin attraktiv
- ich lese gerne
- ich habe viel Wissen
- ich liebe es, im Café zu sitzen
- ich fahre gerne Rad
„Aus leben wird lieben, wenn du ein ‚i‘ einfügst.“
April 2011 - Udo
Meine Geschichte als kleiner Junge, vom Sex mit meiner gewalttätigen Mutter, von den Folgen dieses Traumas im Erwachsenenleben und viel von meiner Heilung. Und eine Geschichte von meinen Stärken und Vorlieben. Eigentlich eine optimistische Geschichte.
Sex und Gewalt mit Mutter
Geboren 1955 im Schwäbischen, wurde ich ab meiner Geburt bis zum Alter von 13 Jahren von meiner Mutter sexuell missbraucht, auch geschlagen. Wie es mir ging, war irgendwie nicht wichtig, niemandem, außer mir.
Mein Vater half mir nicht, er wusste vom Missbrauch meiner Mutter und hat sie geschützt. Nach außen und vor allem mir gegenüber. Als ich mich im Alter von drei Jahren bei ihm über Mutter beschwerte, sagte er „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum.“ Tja, falls mir das nicht passte, hatte ich eben Pech gehabt. Er war ein Lügner und Mittäter.
Danach hatte mich Mutter eiskalt erwischt. Sie würgte mich, im Stehen. So zeigte sie mir, wie sie weiteres Reden bestrafen würde. Ich bekam einen riesigen Schreck und zitterte am ganzen Körper. Es wurde mir heiß und kalt. Die direkte Morddrohung hatte was. Es entstand keine Verwirrung, es war eine klare Sache: wenn du redest, töte ich dich.
Die erste schwere Begebenheit geschah, als ich 6-8 Wochen alt war. Meine Mutter ließ mich an der Brust trinken. Solange, bis ich genüsslich am nuckeln war. Dann nahm sie mich von der Brust weg und schob meinen Kopf zwischen ihre Beine, um dort weiter zu nuckeln. Als sie ihren Orgasmus hatte, hat sie mich beinahe erstickt. Keine Luft, Nase verstopft, Mund voll, und satt wurde ich dabei auch nicht. Diverse Folgen gehen bzw. gingen auf dieses Ereignis zurück. Mein linkes Nasenloch fühlt sich häufig verstopft an. Beim Einschlafen hatte ich lange das Gefühl, meine Halskette würde mich würgen. Noch esse ich eher schnell, denn die Mahlzeit könnte mir von jemandem weggenommen werden.
Sex mit Mutter hörte so bald nicht mehr auf. Mit zwei bis drei Jahren befriedigte ich sie auf dem Elternbett mit der Hand und mit dem Mund, sie nahm meinen Penis in den Mund und lutschte daran. Oder sie spielte mit den Händen und dem Mund daran herum. Oft endete solcher Sex in Gewalt oder in Vorwürfen. Ich war zu klein, um ihr jedes Mal einen Orgasmus machen zu können. „Ich müsste es besser können, ich bin nicht gut genug“ ist ein Grundgedanke, den ich daraus entwickelt und auf mein ganzes Leben übertragen habe, insbesondere auf mein Verhalten gegenüber Frauen. Diesen Gedanken entwickelte ich nicht selbst, so doof war ich auch als kleiner Junge nicht. Sie trichterte ihn mir jahrelang ein. Und ich begann ihr zu glauben.
Nun, sie brachte mir bei, immer besser zu werden. Sie lockte, sie versprach mir tolle Erlebnisse, ich würde das doch alles auch wollen, ich müsse sie nur so befriedigen, wie sie das mag. Ungefähr acht Jahre alt war ich, als sie anfing, mit mir zu ficken. Sie setzte sich auf mich, steckte meinen kleinen erigierten Penis in sich und ritt auf mir. Ich dissoziierte, ich war geistig nicht mehr da, ich schwebte mit den Beinen voraus durchs Haus nach draußen ins Dorf.
Sie hat mich geschlagen, sie hat mir mit dem Tod gedroht, sie hat mich fast getötet. Als kleiner Junge wusste ich keineswegs, dass ich diese Kindheit überleben würde. Ich war höchstens drei Jahre alt und kam zu Mutter in die Waschküche. Sie war gerade beim Schleudern von Wäsche und für mich völlig unerwartet, unberechenbar, ohne Begründung, einfach nur aus ihrer Willkür packte sie mich und steckte mich in die Wäscheschleuder. Sie schleuderte mich, bis ich bewusstlos wurde. Dann zerrte sie mich aus der Maschine, stellte mich auf die Beine, die knickten weg, sie stellte mich nochmals auf die Beine. Dann torkelte ich davon. Ein gewaltiger Schreck und ungläubige Überraschung warfen mich auf mein Bett. Mutter handelte im Affekt und gefährdete mein Leben mal eben so zufällig.
Mein Vater half mir nicht, meine Schwester war zwar älter als ich, aber doch zu klein, andere Menschen wussten nichts oder sie halfen nicht. Überlebenskraft fand ich außerhalb des Hauses meiner Eltern. Ich spielte mit anderen Kindern im Dorf und um das Dorf herum. Mit fünf bis sechs Jahren begann ich meine Liebe zum Lesen von Büchern zu entwickeln.
Meine Mutter hatte aufgehört, bevor ich 13 wurde. Sie befürchtete, dass sie erwischt werden könnte, dass meine Schwester es mitbekommen könnte. Denn als ich 12 war, ging meine Schwester gemeinsam mit mir auf das selbe Gymnasium. Die Gelegenheiten für Mutter mit mir alleine waren dadurch selten geworden. Für das Ende von Sex mit ihr hat sie mir Schuld- und Schamgefühle eingeredet.
Ich hatte überlebt. Es gab Zeiten, da glaubte ich nicht daran, da habe ich versucht, mich selbst zu töten. Aber, ich war 16 Jahre alt geworden, lebte, und war mir sicher: sie kriegt mich nicht! Meinen Körper hatte sie, meine Seele halb, aber mein Innerstes nicht! Das feierte ich im Sommer nach meinem 16. Geburtstag, indem ich mit rauchen begann. Ich durfte rauchen, ich war 16 und fast erwachsen. Ich hatte es geschafft, ich hatte den Missbrauch durch meine Mutter überlebt. Seht her, Leute: ich habe das Alter, darf rauchen, und ich lebe!
Nach dem Abitur habe ich mein Elternhaus verlassen.
Probleme als Erwachsener und irrationale Grundgedanken
Ich wurde zu einem Menschen, der kein Vertrauen hatte, außer zu mir selbst. Kam ich mit Nähe nicht zurecht, ging ich auf Abstand. Was mir wichtig war, musste ich selbst machen, nur nicht abhängig oder gar hilflos werden. Meine Kindheit zu überleben, führte zu einer langen Kette von Schwierigkeiten als Erwachsener. Aber auch zu einer fast unendlichen Kraft, Ausdauer und Energie. Wer aus solcher Kindheit hervorgeht, der ist ein Energiepaket.
Ich habe also studiert, eine Frau gefunden, nochmal studiert, zwei Töchter bekommen, war in einem Konzern als Ingenieur tätig und vor allem als Betriebsrat. Das alles passte gut zu mir. Als Betriebsrat musste ich mich der Unternehmensleitung nicht unterordnen, was ich nicht gut konnte. Ich mochte und mag keine Autoritäten, es sei denn, sie sind es wegen ihrer Fähigkeiten und nicht wegen ihrer Macht.
Bei der Geburt meiner Töchter war ich glücklich, dass es Mädels waren, beide Male. Ohne dass ich in jener Zeit den Satz bewusst kannte, wirkte „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ ganz tief in mir und ließ mich Töchter wünschen. Und ich bekam sie ja auch, also kein Stress.
„Männer sind Pfeifen und Frauen sind gefährlich“ war mein Grundgedanke über die Menschen. Männer können mir nicht helfen, wenn ich mir selbst schon nicht helfen kann. Das machte mich unabhängig, aber es war auch sehr anstrengend. Zum Glück ist das heute vorbei, wenn auch noch nicht lange. Bei Frauen muss man auf Distanz bleiben, sonst wird es gefährlich. Ich hatte nicht etwa ständig wechselnde Beziehungen - aber meinen Kampf um die Distanz, nicht untergehen wollen in der Beziehung. Und: ich müsste besser sein in der Beziehung, ich bin nicht gut genug. Wenn es in meinem Kopf hart auf hart zuging: Wünsche der Partnerin gegen meine grundlegenden eigenen Wünsche, dann war ich immer bei mir. Das machte stark und … einsam.
Hier eine Auflistung aller Grundgedanken aus meiner Kindheit, mit denen ich jahrzehntelang als Erwachsener Probleme hatte:
- Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich.
- Ich bin nicht gut genug, ich müsste das besser können.
- Bloß nicht hilflos werden: dieser Gedanke war der schlimmste, er bedeutete extreme Angst, Panik.
- Ich bin nicht wichtig, außer für mich.
- Ich bin wertlos.
- Ich darf nicht missachtet werden.
- Alles Wichtige muss ich selber tun.
Es gibt auch Grundgedanken, die ich als Lebensleitlinien behalten will:
- Ich will ein guter Mensch sein.
- Wissen und Erkenntnisse sind wichtig.
Sexualität: Natürlich kann es kaum sein, dass in diesem Bereich mein Leben zufriedenstellend verlief. Oder doch? Ich war jedenfalls bereits rund 40 Jahre alt, bis mir auffiel, dass da einiges so ganz und gar nicht stimmte. Es stimmte auch vorher schon nicht, nur hatte ich nicht darüber nachgedacht und die Probleme sozusagen vor mir selbst versteckt.
1994 trennte ich mich von der Mutter meiner Töchter. Und ich fand eine neue Partnerin, meine große Liebe. Da sie sehr viel mehr Nähe wollte, als ich gewohnt war, gab es häufiger Schwierigkeiten in der Beziehung. Hohe Hochs und tiefe Tiefs. Das führte dazu, dass ich ab 1996 begann, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Erstes Buch: „Das Drama des begabten Kindes“ von Alice Miller, zweites Buch, „Das Kind in uns“ von John Bradshaw.
Ich begab mich auf eine ungeheuer spannende Reise, und ich wusste das. Bücher folgten noch viele. Ich entdeckte nach und nach die zuvor genannten Grundgedanken. Von meinen Missbrauchserlebnissen wusste ich nichts. Meine Sexualität nahm ich bewusster wahr und entdeckte einen großen Packen Zwanghaftes.
Siehe da, ich hatte zwei Sexualitäten entwickelt: eine in etwa „normale“ Sexualität mit meiner Partnerin und eine „kaputte“ Sexualität mit bizarren Fantasien, Pornobildern, Pornokino, eine Sexualität mit mir selbst. Im Sommer 1999 waren meine Partnerin und ich gerade dabei, erotische Fantasien in unser bisheriges Beziehungsleben integrieren zu wollen. Daraus hätte sich vielleicht ergeben, dass ich aus meinen beiden Sexualitäten eine hätte entwickeln können. Kam aber ganz anders.
Wiedererinnern des Missbrauchs
Beim Abklingen eines ganz besonders intensiven Orgasmus, meine Partnerin und ich lagen noch eng umschlungen, hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis. In meinem Kopf hatte es geklingelt und geleuchtet. Es war ein unglaublich intensiver Wachtraum.
Als erstes sah ich den kleinen Udo, der um Hilfe schreit, aber keinen Ton herausbringt, und deshalb die Hand hochhält, es hilft jedoch niemand.
Als zweites erlebte ich einen Schnelldurchlauf durch meine Erinnerung aller Beziehungen zu gleichaltrigen Mädchen und Frauen seit meiner Kindheit.
Als drittes eine Gewaltfantasie. „Das, ficken, kannst du nicht, das kann nur ich“… schreie ich meine Mutter an, während ich sie ficke ohne darauf zu achten, ob sie das will oder nicht. Dann werde ich zum Wolf und versuche sie zu töten, kann sie aber nur leicht zerkratzen. Dann wächst aus ihrem Unterleib ein Haifischkopf, den ich zerquetschen will, es aber nicht schaffe. Dann gehe ich als Wolf traurig und einsam fort.
Ich brauchte nur wenige Tage und einige Bücher, um zu begreifen, dass ich keine beliebige Vergewaltigungsfantasie hatte, sondern dass ich von meiner Mutter sexuell missbraucht worden war.Ich hatte eine Erinnerung!
Das war im September 1999.
Zu dieser Zeit hatte ich mich seit drei Jahren viel mit mir selbst beschäftigt, mit der Entdeckung des Missbrauchs wurde meine Innenschau jedoch noch intensiver. Unglaublich spannend, welche Energien in mir, in den Entdeckungen über mich steckten.
Ich habe unzählige Bücher verschlungen, meine Freundin geliebt, mich mit ihr gestritten, und wieder geliebt, sozusagen nebenher habe ich als Vermögensverwalter an der Börse für mich und die Kunden viel Geld verdient, bin in eine supertolle Wohnung umgezogen …
Fünf Jahre intensives Leben bis 2001, intensive Emotionen, mit vielen Erkenntnissen und Entdeckungen, Wut, Angst und Trauer.
Erste Heilungsschritte
Lesen
Ich lese viel und gerne. Inzwischen besitze ich eine ganze Menge Bücher über psychologische Themen. Das sind Geschichten von Betroffenen, Bücher über Therapieformen insbesondere Trauma-Therapie, Romane, Entwicklungspsychologie, Gefühle, Empfindungen, Bücher der Gehirnwissenschaftler.
In meinem Kopf fanden sich häufig festgefahrene Ansichten zu Themen und Problemen, die ich selbst während meiner traumatischen Kindheit erlebte. Daran änderte sich einiges.
Wissen ist wichtig.
Kontaktabbruch zu meiner Mutter
Ich hatte den Missbrauch wiedererinnert 1999, da war ich 44 Jahre alt.
Daraufhin hatte ich meine Mutter in einem Brief mit meinem neuen Wissen konfrontiert und als Wiedergutmachung von ihr gefordert: Gib es zu! Berichte mir über die Dinge, die du in meiner Kindheit sexuell mit mir gemacht hast!
Wie erwartet hatte sie bestritten. Ich brach den Kontakt ab. Ebenso zu Vater und Schwester. Meine Schwester konnte mir nicht glauben. Mein Vater 'glaubte' mir ebenfalls nicht: dass er ein Lügner war, wusste ich noch nicht.
Selbsthilfegruppe
Ich suchte und fand andere Männer, um eine Selbsthilfegruppe ‚Als Junge missbraucht‘ zu gründen. Seit 2001 besteht diese Gruppe und es ist eine tolle Einrichtung. Gäbe es sie nicht, würde ich sie gründen! Wir treffen uns wöchentlich, erzählen, fragen nach, helfen und lösen Probleme. Inzwischen habe ich zwei weitere Selbsthilfegruppen gegründet. Die Mitglieder sind Frauen und Männer. Das war für meine persönliche Entwicklung außerordentlich wichtig.
Innere Bilder
Über viele Jahre hinweg habe ich intensiv mit inneren Bildern gearbeitet.
Ich habe einen inneren Wohlfühlort entwickelt. Das ist ein etwas verwilderter Garten in meiner Fantasie, den außer mir niemand finden kann, in dessen Zentrum eine Badewanne steht.
Ich liebe baden! Ein Tischchen neben der Wanne mit Buch, Kaffee, Zigaretten, Telefon. So kann ich mich für Stunden wohlfühlen.
Mit der Methode Innere Bilder habe ich eine innere „Familie“ entwickelt. Die einzelnen Figuren stellen Anteile von mir selbst in meiner inneren Wahrnehmung dar. Da gibt es einen kleinen Jungen, ein kleines Mädchen, einen Wolf, einen jüngeren erwachsenen Mann und eine Frau, einen Denker, und vorübergehend auch Täteranteile von Vater und Mutter. Außerdem ab 2011 einen Teenie, ein Baby und den Grauen.
Mit dieser Methode war ich in der Lage, den Täteranteilen in mir einen korrekten, akzeptablen Platz zuzuweisen. Enttäuschung über Vater und Wut über Mutter schienen damit abgeschlossen.
Meine Mutter habe ich auf meiner „inneren Bühne“ wahrscheinlich 50 Mal umgebracht: mal schnell und hart, mal ganz genüsslich gefoltert und gequält. Der richtige Weg, weil nur der sich gut anfühlte, war dann, ihr Geschlecht zu zerstören. Indem ich den aus ihrem Unterleib wachsenden Haifischkopf mit einer Drahtschlinge herausriss.
Meinem Vater schnitt ich die Zunge ab. Wie ich fand, eine angemessene Lösung für einen Lügner.
Danach saß er auf einem Stuhl und las Simmel. Meine Mutter saß daneben in einem Sessel und strickte.
Im Sommer 2011, kurz vor dem Ende meiner Trauma-Bearbeitung flogen dann doch beide aus der inneren Familie hinaus. Mutter wurde vom Wolf gerissen - dismal mit Erfolg. Und Vater wurde als Lügner gebrandmarkt und als vogelfrei ausgestossen.
Neue Entdeckungen seit Anfang 2010
EMDR
Die bislang am weitesten gehenden Entdeckungen begannen mit einer EMDR-Sitzung (EMDR ist eine der Trauma-Therapie-Methoden: dabei bewegt der Klient die Augen schnell von rechts nach links und zurück. Dies bewirkt eine verbesserte Verknüpfung der beiden Gehirnhälften miteinander. Dadurch kommen traumatische Erinnerungen leichter an die Oberfläche und können verarbeitet werden) mit meinem Therapeuten. Es war eine Fantasiereise in meine Erinnerungen.
Tagebucheintrag 15.1.2010:
ich bin zwei Jahre alt, liege auf dem Küchentisch, habe die Hose heruntergelassen. Meine Mutter spielt an meinem Penis mit den Händen. Dann ist sie zwischen meinen Beinen, hat mich zum Rand des Tisches gezogen. Meine Knie sind angewinkelt. Sie saugt und knetet meinen Penis.
Der wird steif und riesengroß. Sie trägt einen hellen Unterrock und reibt sich im Stehen mit meinem Riesenpenis die Scheide. Dann beugt sie sich zu meinem Gesicht und ich lecke ihre Brustwarzen. Dann richtet sie sich wieder auf und steckt meinen Penis in ihre Scheide, er ist immer noch überdimensional groß.
Plötzlich hat sie den Penis und ich die Scheide, dann wieder zurück. Sie dreht sich um und steckt sich meinen Penis von hinten in ihre Scheide. Plötzlich wird er kleiner, normale Kindergröße und es bilden sich Tropfen. Sie knuddelt den Penis, nimmt ihn in den Mund, aber er wird noch kleiner und weich. Ich will weg, sie hält mich mit der zweiten Hand auf meiner Brust fest.
Dann wird sie sauer, stößt mich über den Tisch, ich falle auf der anderen Seite auf die Sitzbank herunter. Sie verlässt die Küche und knallt die Tür zu. Ich setze mich auf und bin ganz traurig. Wieder habe ich es nicht hinbekommen, dass sie zufrieden ist. Ich will hier weg.
Sie kommt zurück und jagt mich aus der Küche, ich gehe ins Wohnzimmer und setze mich in die hintere Ecke neben dem Wohnzimmerbuffet. Dort weine ich still, ich will hier weg, ich kann mich nicht bewegen.
Dann kommt meine Mutter ins Wohnzimmer, zerrt mich aus der Ecke und schlägt mich gegen Kopf oder Hals, da stürze ich auf die Couch und bleibe da liegen. Ich rolle mich in einer Ecke der Couch ein. Dort liege ich sehr, sehr lange. Jahrelang. Ich will weg hier, keiner hilft mir, hoffentlich ist es bald vorbei, ich kann mich nicht bewegen, ich schütze mein Innerstes, das kriegst du nicht. Ich zittere, es ist mir schlecht, es kotzt mich an. Ich muss pinkeln, mir tut der Kopf weh. Hoffentlich ist es bald vorbei, wann ist es endlich vorbei?
Dann wird plötzlich für einen Moment aus dem Kleinkind ein Erwachsener und wieder zurück. Dann kommt Bewegung in den kleinen Jungen, er setzt sich auf, er wird größer und älter, 10 – 12 – 15 Jahre. Er steht auf und geht zur Wohnzimmertüre hinaus, fühlt sich stark, geht auch zur Haustüre hinaus. Auf der Außentreppe riecht er die Luft und spürt den Wind. Es fühlt sich gut an, dann geht er die Treppe runter und setzt sich auf die unterste Stufe. Da wird er zum 5jährigen, der ein Buch hat, und zum Erwachsenen, wieder zurück, wieder vor, mehrfach.
Dann steht der Erwachsene auf, der Kleine springt ihm auf den Arm, lehnt seinen Kopf an Schulter und Brust des Großen. Der Große, ich heute, gehe zu meinem Auto, steige ein und fahre los. Ich fahre eine Schleife im Dorf und komme nochmals am Haus vorbei. Da steht meine Mutter auf der Außentreppe und fuchtelt mit den Armen: gib mir meinen kleinen Jungen zurück, ich will ihn wiederhaben. Ich lache, ich freue mich und der kleine Junge neben mir und in mir lacht auch. Ich fahre weiter und öffne das Verdeck. Dann fahre ich nach Hause, nach Frankfurt, esse und trinke in einer Raststätte. Dann komme ich in Offenbach an, im Zimmer des Therapeuten, ich beginne meine steifen Beine und Hände zu bewegen, habe Kopfschmerzen von EMDR und muss dringend zur Toilette.
Kommentar: die am Beginn der Sitzung genannte Aussage, dass ich beim Missbrauch hilflos sei, fühlte sich danach ganz anders an. Ich bin nicht hilflos, ich habe den Terror von ihr aus eigener Kraft überstanden. Es hat Jahre gedauert, aber ich war nicht hilflos. Sie hat mich nicht zerstört, ich habe es geschafft.
Danach hat es wochenlang in meinem Kopf gearbeitet, ohne dass etwas davon in mein Bewusstsein kam. Auch nach der zweiten EMDR-Sitzung im Februar war das so.
In dieser Zeit hatte ich wieder Kontakt zu meiner Schwester, sogar recht intensiven. Sie war an Krebs erkrankt und verstarb im Juni 2010. Da sie im selben Haus lebte wie meine Mutter, entstand auch zu dieser wieder Kontakt. Der bekam mir nicht gut. Auch das Elternhaus betrat ich dadurch wieder. Damit hatte ich Kontakt zum Tatort. Dieses Haus wird jetzt gerade verkauft. Ob die Kontakte zu Täterin, Tatort und Umfeld eine Rolle spielten bei meiner weiteren Entwicklung weiß ich nicht, mein Therapeut meint ja. Ich glaube, dass die EMDR-Sitzungen die wichtigere Grundlage wurden.
Urvertrauen
Anfang Oktober 2010 hatte ich in mehreren Träumen die Integration des inneren kleinen Mädchens erlebt. Bislang war mir dieses kleine Mädchen noch ziemlich fremd. Ich wusste nur, dass sie es war, die den Sex mit Mutter aushalten musste. Der kleine Junge war der mit der Angst vor Hilflosigkeit, der Panik, dem Stress im Vorfeld. Wenn es losging mit dem Sex durch meine Mutter, wurde der kleine Junge zum kleinen Mädchen.
Plötzlich verschmolz dieses kleine Mädchen im Traum in der Person von Scotty aus Raumschiff Enterprise mit mir. Der Vorgang war nicht ängstigend, aber was sie mitbrachte, sehr: Mutters Brutalität, mein Leid und meine Verzweiflung.
Ich entdeckte, dass mein zwanghafter Drang zu Pornografie kein wirklicher Automatismus war. Ich saß nicht einfach da und plötzlich überfiel mich der Drang, Pornofilme im Internet anzuschauen. Nein, ich saß da und es überfiel mich Leere. Um die nicht zu spüren, schaute ich Pornobilder, ich betäubte mich damit!
Und dann kam er, der spannendste Tag seit der Geburt meiner beiden Töchter, der 20. Oktober 2010.
Morgens um drei oder vier Uhr konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte ein unlösbares Problem, das Problem mit dem Tod, gelöst.
Tagebucheintrag 20.10.2010:
Tod:
„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich mir nichts mehr vorstellen kann. Wie löse ich das auf?“ Dieser Satz ist viele Jahre alt. Damit endete bisher jede Beschäftigung mit dem Tod.
Heute Nacht entdeckte ich den ersten Lösungsansatz meines Lebens: „Vertraue auf dich. Wenn es so weit ist, wirst du es wissen.“
Diese Antwort kam aus meinem tiefsten Inneren. Von Gott, oder meinem göttlichen Kind, oder vom kleinen Mädchen…
Klingt mystisch? Schlagartig ging es nicht mehr um das Rätsel des Todes, sondern um viel mehr: mein Leben! Ich hatte soeben einen großen Brocken Urvertrauen zu mir und zum Leben bekommen. Urvertrauen, nichts wirklich Mystisches, sondern etwas zutiefst Menschliches. Und damit ging es richtig los!
Auflösung oder Veränderung aller problematischen Grundgedanken
Meine größte Angst war die Angst vor Hilflosigkeit. „Ich muss mir immer selbst helfen können, bloß nicht hilflos werden“. Wenn ich mir jetzt hilflose Situationen vorstelle, empfinde ich „vertrau auf dich. Es wird irgendwie eine Lösung geben.“
Die Angst vor Hilflosigkeit gibt es nicht mehr!
Leere gibt es nicht mehr!
Was ist das, Leere? Hatte ich damit mal Probleme? Es ist: Schwere, Morast, Ekel, Hilflosigkeit, die Leere ist nicht leer.
„Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich“. Mein Vater hat beim Missbrauch meiner Mutter geholfen, er ist Mittäter. Dass mein Vater mir nicht geholfen hat, war eine verkehrte Betrachtung. Er war kein „Nichthelfer“, er war ein „Mittäter“. Er hat mich mit dem Satz „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ mit voller Absicht angelogen. Es war ihm sogar recht, dass ihn sein kleiner Sohn für eine Pfeife hielt. Hauptsache, der Sex durch die Mutter wird nicht entdeckt. Vati, die Pfeife, wurde zu Fritz, dem Lügner und Mittäter.
‚Männer sind Pfeifen‘ gibt es nicht mehr!
Mein Vertrauensproblem gibt es nicht mehr! Ab sofort ist es korrekt zu sagen: ich habe ein Problem mit Lügen. Die, die ich als Kind als Wahrheiten gelernt hatte und in meinem Gehirn zu automatisierten Gedanken oder Gefühlen oder Handlungsanweisungen entwickelt hatte. Wo mein Vater mich belogen hatte, wo meine Mutter mich belogen hatte. Seither achte ich auf solche möglichen Lügen.
‚Ich bin nicht wichtig‘ und ‚ich bin wertlos‘ gibt es nicht mehr!
Die anderen Grundgedanken haben ihre Schärfe verloren, sind vom „müssen“ zum „sollen“ herabgestuft, Wut zu Ärger.
Meine Sexualität heute: Vor 10 Jahren war es eine gute Lösung, zwei Sexualitäten zu haben. Konnte ich doch die „normale“ Sexualität genießen und die „kaputte“ dem Missbrauch zuordnen und verteufeln. Seither hat sich viel verändert. Erst ganz langsam, in den letzten Monaten immer schneller. Meine „kaputte“ Sexualität ist nicht mehr zwanghaft. Ich kann sie sogar gezielt benutzen, um mich zu betäuben, wenn ich das für nötig halte. Was häufiger der Fall ist. Die zwei Sexualitäten werden langsam zu einer…
Die Geschwindigkeit, mit der sich die gesamten Grundgedanken veränderten, war unglaublich. Am Abend des 20.10. war keiner mehr wie zuvor.
Vor dem Jahr 2010 dachte ich, dass ich vielleicht 10% einer möglichen Heilung erarbeitet hatte, und war mir nicht sicher, ob es Heilung überhaupt gäbe, wenn man als Kind sexuell missbraucht wurde. Heute glaube ich, dass es erstens Heilung gibt, und dass ich zweitens 80% davon erarbeitet habe. So gewaltig sind die Entwicklungen des Jahres 2010 und auch 2011. Ich habe noch nicht alles erzählt, es geht weiter.
Auflösung von Traumata
Mit der Beseitigung der meisten irrationalen Grundgedanken ist meine Heilung noch nicht am Ende. Ich habe entdeckt, wie ein Trauma aufgelöst werden kann. Dazu will ich die Geschichte erzählen, wie ich die Verzweiflung meiner Kindheit aus meinem Körper und meinem Kopf vertreiben konnte. Es war ein aktiver Vorgang. Ich war aktiv. Und ich hatte Hilfe von zwei Selbsthilfegruppen und einem Therapeuten. Und: ich konnte Hilfe einfordern und annehmen. Schließlich war der alte Grundgedanke ‚Männer sind Pfeifen und können mir nicht helfen‘ nicht mehr wirksam.
Ende November 2010: Seit längerem hatte ich klar erkennbar ein Gefühl von Leere: immer wieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte es gar nicht aushalten. Dann hatte ich hin und wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens ein paar Sekunden nachzuspüren. Dabei hatte sich herausgestellt, die Leere war gar nicht leer, sondern sie bestand aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch.
Nach dem Ende meiner größten Angst, der vor Hilflosigkeit, konnte ich dieses schwere Gefühl im Bauch öfter zulassen. Das steigerte sich dann soweit, bis ich es täglich fast durchgängig spürte und halbwegs ertragen konnte.
Es fühlte sich an wie eine elastische Blase, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampe befindet, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt ist.
In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich dann auf die Idee, es könnte so etwas sein wie psychischer Schmerz, oder Demütigung, oder Verzweiflung, oder alles zusammen, oder noch mehr.
Ich hatte dann beim nächsten Selbsthilfegruppe-Treffen die anderen Mitglieder gefragt, wie sich denn Demütigung, psychischer Schmerz oder Verzweiflung körperlich anfühlen würden. Da kamen einige interessante Beschreibungen zusammen und eine hat mich innerhalb kurzer Zeit, nämlich bereits beim Nachhauseweg, total getroffen: Das schwere Gefühl war plötzlich weg und ist nicht mehr aufgetreten.
Es war Verzweiflung. Die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens. Als ich den Sex mit meiner Mutter nicht wollte, als ich wollte, dass sie aufhört, als ich vergeblich meinen Vater informierte, als es mal zwischendurch weniger wurde, als es dann sogar schlimmer wurde, weil sie begann, mit mir zu ficken, als es Jahre um Jahre dauerte und nicht aufhörte, als ich mehrfach versuchte, mich selbst zu töten. Als ich dann endlich mit 12-13 Jahren glauben konnte, dass ich den Missbrauch überleben könnte, weil ich dachte, ich schaffe es, bis ich 16-18 Jahre alt bin. Und ich schaffte es!
Das schwere Gefühl und die Geschichte dazu, also die Verzweiflungsgeschichte, gleichzeitig in meinem Bewusstsein zu haben, bewirkten, dass ich beides als sehr harte, aber als zusammengehörende Erinnerung im Gedächtnis abspeichern konnte. Das Gefühl spukt nicht mehr in mir herum und kann sich nicht mehr als Handlungsanweisung auswirken. Dieser Teil meines Kindheitstraumas ist erledigt.
Meine Schlussfolgerung: Habe ich ein schweres Gefühl in mir oder eine üble Geschichte, dann gehe ich auf die Suche nach dem Gegenstück. Wenn ich das wirklich wahre Gegenstück gefunden habe, habe ich eine gute Chance, dass sich das Trauma bzw. ein Teil des Traumas auflöst.
Habe ich kein Gefühl, sondern eine zwanghafte Handlung, so suche ich nach dem Gefühl, welches durch die Zwangshandlung verdeckt wird: Ich versuche, ganz genau in meinem Körper zu beobachten und zu spüren, was da passiert in den Sekunden vor der Zwangshandlung. Mein Ziel ist nicht, die Zwangshandlung zu unterlassen, sondern das verdeckte Gefühl zu entdecken.
Nicht alles, was heute noch Probleme verursacht, ist auf den Täter zurückführbar. Vater, Mutter, Täter: Sie alle haben große eigenständige Bedeutung. Bei mir betrifft diese außer Mutter noch meinen Vater. Einige meiner Grundgedanken hatten mit ihm zu tun. Und vor allem: ich war 3(!) Jahre alt, als ich mich bei ihm über Mutter beschwerte. Er hätte mir 10(!) weitere Jahre Missbrauch ersparen können. Darum hatte meine Auseinandersetzung mit ihm eine große Bedeutung bei meiner Heilung.
Es gibt noch einen zentralen Punkt: Die Schweigemauer musste weg. Ganz weg. Der Beginn dieses Vorgangs war die Wiedererinnerung des Missbrauchs im Jahr 1999, das Ende ein Fernsehbericht des HR über mich im Februar 2011.
Heilung, oder: die Auflösung von Traumata, ist meiner Meinung nach ein Vorgang, der lange dauert, vielleicht gar nicht endet. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht ständig mit heilen beschäftigt bin. Ich bin mit essen beschäftigt, mit lesen, mit lieben, mit heilen, mit arbeiten …
Meine Ressourcen
„Vor kurzem war ich bereits die dritte oder vierte Woche hintereinander kaum arbeitsfähig. Ich war depressiv. Nicht ein einziges Mal habe ich es zum Krafttraining geschafft. Abends konnte ich mich nicht auf die Nachrichten konzentrieren und morgens kam ich vor 10 Uhr nicht aus dem Bett.“
Soll ich die vier Wochen wirklich so beschreiben? Oder vielleicht eher so:
„In den letzten drei bis vier Wochen saß ich jeden zweiten Tag auf dem Balkon, habe gelesen und teilweise in der Sonne gebräunt. In meinem Lieblingscafé war ich ebenfalls mehrfach, habe Kaffee getrunken, Menschen beobachtet, gelesen, Notizen gemacht. Ich liebe lesen. Und wenn es nicht regnete, fuhr ich fast täglich mit dem Fahrrad am Main entlang. Abends saß ich dann gelegentlich in der Badewanne mit Buch, Kaffee, Papier, Stift, Telefon, genoss die feuchte Wärme und entspannte mich.“
Beide Versionen sind „wahr“.
Weil ich die zweite Version sehr gerne mag, liste ich anschließend meine Stärken auf. Auf neudeutsch: meine Ressourcen. Was kann ich? Was mag ich gerne? Das Wichtig nehmen dieser Ressourcen führt dazu, dass mein Tagesablauf immer angenehmer und optimistischer wird.
Meine Ressourcen in meinem Innern:
- ich kann selbständig relativ autark leben
- ich denke analytisch
- ich kann komplexe Probleme lösen
- ich arbeite mit inneren Bildern
- ich kann mir Wissen jederzeit aneignen
- ich habe umfangreiches Wissen
- ich habe einen inneren Wohlfühlort
- ich bin intelligent
- ich bin neugierig
- ich bin geduldig
- ich kann mich einfühlen
- ich kann kreative Ideen entwickeln
- ich kann mich nach innen konzentrieren
- ich kann mich gut beobachten
- ich kann Gefühle betäuben
- ich bin hilfsbereit und ehrlich
Meine Ressourcen außerhalb von mir:
- Ich habe Freunde
- ich bin in Selbsthilfegruppen verankert
- Badewanne
- interessante berufliche Tätigkeiten
- ausreichend Vermögen
- meine Töchter
- ich bin attraktiv
- ich lese gerne
- ich habe viel Wissen
- ich liebe es, im Café zu sitzen
- ich fahre gerne Rad
„Aus leben wird lieben, wenn du ein ‚i‘ einfügst.“
April 2011 - Udo