Alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum: Fortsetzung
Ich bin genau richtig, so wie ich bin
Im April 2011 war ich überzeugt, einen großen Teil meiner Heilung erarbeitet zu haben. Und heute? Ich bin überm Berg und auf dem Weg zum Meer ...
Es gäbe eine Menge zu erzählen, was sich im letzten Jahr alles bei mir veränderte. Vielleicht ein paar einzelne Aspekte:
"Ich bin nicht gut genug. Ich müsste das besser können." Diesen tiefsitzenden Grundgedanken hatte ich vor mehr als 10 Jahren entdeckt. Er hatte mir das Leben schwer gemacht. Seit Oktober 2010 hieß er "ich sollte das besser können." Eine gewaltige Entlastung. Seit Februar 2012 heißt er "ich bin gut. Ich bin genau richtig, so wie ich bin". Ein zauberhafter Grundgedanke.
Ich kann alles in meinem Körper fühlen, was mit mir passiert. Wie ich auf Menschen um mich herum reagiere, kann ich spüren. Nicht nur Emotionen wie Trauer, Wut, Freude, auch deutlich schwächere Körperempfindungen, ihre Veränderung. Ständig. Ich kann mich gezielt darauf konzentrieren. Ich kann das Fühlen auch abstellen. Manchmal auch nicht. Unglaublich.
Ich habe im März meinen Geburtstag gefeiert als den ersten Geburtstag nach dem Ende meiner Trauma-Folgen. Über 20 Menschen, die ich liebe, waren da. Ich fühlte und dachte und nahm mich und die anderen wahr. Ich war völlig in der Gegenwart.
Ich hatte eine kurze Liebesgeschichte. Ich fühlte die Freude und Liebe. Beim Ende fühlte ich die Trauer. Nicht nur das, ich könnte die Gefühle in meinem Körper bis ins Detail beschreiben. Körperlich beschreiben.
Ich habe Lust, meine Geschichte zu erzählen, auch öffentlich. Die NDR-Doku vom 19.3.12, in der ich vorkam, hat mir gefallen. Ich fühlte mich bei der Erstellung, wie auch beim Anschauen und bei den Reaktionen anderer Menschen darauf, wohl. Die Aufnahmen allerdings fand ich körperlich anstrengend. So wie ich bin, bin ich genau richtig. Klasse. Keine Angst, keine Wut, keine Scham. Zufriedenes Wohlfühlen über mich und Zorn und Trauer über die alten Sex- und Gewaltaktionen und die Lügen von Mutter und Vater.
Früher hätte ich mich nicht in den Mittelpunkt getraut. Das wäre gefährlich gewesen und beschämend. Sozusagen unter Todesstrafe. Ich benötige nicht mal Mut dazu.
Neugier und mein Wunsch zu erzählen, dass Trauma auflösbar ist, und eine Portion Lampenfieber bei neuen Aktivitäten. Spannend, interessant, aufregend, wohlfühlend, leicht und locker. Ich laufe geradezu über vor lauter solchen Empfindungen.
Es entstehen laufend weitere interessante Entdeckungen und auch Erinnerungen. Ich fühle mich sehr lebendig.
"Frauen sind gefährlich" gib es nicht mehr.
Was war passiert, damit der Grundgedanke "ich bin genau richtig, so wie ich bin" entstehen konnte?
Ich konnte ein Gefühl so ähnlich wie Hunger, nur deutlich schwächer, aber unangenehm, seit ungefähr Sommer 2011 klar wahrnehmen. Früher reagierte ich darauf mit: viel essen oder süss essen oder scharf essen oder mit Kaffee, Säften, Zigaretten. Dann entdeckte ich (mit Hilfe von Achtsamkeit, Focussing, EMDR, Innere Bilder), dass ich als Baby von 6 Monaten Sicherheit spüren wollte: essen satt, wenn Hunger; festhalten auf Arm wenn einsam, usw.. Das fehlte mir.
Darauf hin gab ich mit meinen inneren Anteilen, insbesondere den kleinen Kindern, dem 16-jährigen und den jungen Erwachsenen dem Baby immer wieder, was es brauchte, wenn ich das unangenehme Gefühl wie Hunger spürte. Seit Februar 2012 ist das unangenehme Gefühl wie Hunger nicht mehr da.
Dann entdeckte ich, dass mir sofort die Tränen kamen, wenn jemand sagte (zu mir oder so, dass ich es hörte), dass ich etwas getan hätte, was ihr oder ihm gut tat. Nicht als Lob, sondern als Feststellung! Beim Nachspüren erkannte ich, dass es sich dabei um ein Verhalten von mir handelte, welches ich gerne tat, ich mich freute, es tun zu dürfen, welches mir leicht fiel, welches einfach aus mir herausfloss, weil ich so bin, wie ich bin. Ein Verhalten mit dem Gefühl, ich sollte mich bei der anderen Person bedanken, dass ich es tun durfte. Inzwischen muss ich bei derartigen Aussagen nicht mehr weinen.
Ich war so, wie ich bin, und anderen Menschen tat das gut. ...Wow.
Und meine Sexualität?
Nachdem ich 12 Jahre lang bewusst meine Sexualität gespalten betrachtete, entschied ich im Sommer 2011: Schluß damit. Die Sexualitäten werden ab sofort eine! Was das bedeutete, wie das gehen sollte? Ich hatte keine Ahnung.
Ich unternahm auch nichts gezielt, ausser: mich, meine Wahrnehmung und mein Verhalten gegenüber Frauen, meine Sexualität mit mir selber, meine Phantasien genau zu beobachten.
Bis heute sind sozusagen ohne mein bewusstes Zutun viele der alten Elemente meiner Sexualität in Bewegung geraten. Manche Blockaden sind verschwunden, manche Wahrnehmungen deutlich verändert. Ich lerne Sexualität neu. Es ist ungefähr so, wie wenn ein 17-jähriger und ein 57-jähriger sich gemeinsam in einem Körper befinden und die Welt der Liebe erkunden.
Selbermachen
Ich bin überzeugt, dass Heilung von Trauma-Folgen eine Arbeit ist, die jeder Betroffene letztlich selber tut. Ob es sich als 'müssen' oder als 'können' oder als 'dürfen' anfühlt, egal.
Hilfen von Therapeuten, Büchern, Filmen, anderen Personen oder speziellen Selbsthilfegruppen sind allerdings nicht nur sinnvoll, sondern unabdingbar.
Der Punkt ist, man benötigt Mut, Risikobereitschaft, Wissen, Feedback, Gemeinschaftsgefühl, Anregungen, Experimente, Wohlfühlen und nicht zu vergessen: neben dem heilen auch leben.
Aus leben wird lieben, wenn du ein 'i' einfügst.
März 2012 - Udo
Ich bin genau richtig, so wie ich bin
Im April 2011 war ich überzeugt, einen großen Teil meiner Heilung erarbeitet zu haben. Und heute? Ich bin überm Berg und auf dem Weg zum Meer ...
Es gäbe eine Menge zu erzählen, was sich im letzten Jahr alles bei mir veränderte. Vielleicht ein paar einzelne Aspekte:
"Ich bin nicht gut genug. Ich müsste das besser können." Diesen tiefsitzenden Grundgedanken hatte ich vor mehr als 10 Jahren entdeckt. Er hatte mir das Leben schwer gemacht. Seit Oktober 2010 hieß er "ich sollte das besser können." Eine gewaltige Entlastung. Seit Februar 2012 heißt er "ich bin gut. Ich bin genau richtig, so wie ich bin". Ein zauberhafter Grundgedanke.
Ich kann alles in meinem Körper fühlen, was mit mir passiert. Wie ich auf Menschen um mich herum reagiere, kann ich spüren. Nicht nur Emotionen wie Trauer, Wut, Freude, auch deutlich schwächere Körperempfindungen, ihre Veränderung. Ständig. Ich kann mich gezielt darauf konzentrieren. Ich kann das Fühlen auch abstellen. Manchmal auch nicht. Unglaublich.
Ich habe im März meinen Geburtstag gefeiert als den ersten Geburtstag nach dem Ende meiner Trauma-Folgen. Über 20 Menschen, die ich liebe, waren da. Ich fühlte und dachte und nahm mich und die anderen wahr. Ich war völlig in der Gegenwart.
Ich hatte eine kurze Liebesgeschichte. Ich fühlte die Freude und Liebe. Beim Ende fühlte ich die Trauer. Nicht nur das, ich könnte die Gefühle in meinem Körper bis ins Detail beschreiben. Körperlich beschreiben.
Ich habe Lust, meine Geschichte zu erzählen, auch öffentlich. Die NDR-Doku vom 19.3.12, in der ich vorkam, hat mir gefallen. Ich fühlte mich bei der Erstellung, wie auch beim Anschauen und bei den Reaktionen anderer Menschen darauf, wohl. Die Aufnahmen allerdings fand ich körperlich anstrengend. So wie ich bin, bin ich genau richtig. Klasse. Keine Angst, keine Wut, keine Scham. Zufriedenes Wohlfühlen über mich und Zorn und Trauer über die alten Sex- und Gewaltaktionen und die Lügen von Mutter und Vater.
Früher hätte ich mich nicht in den Mittelpunkt getraut. Das wäre gefährlich gewesen und beschämend. Sozusagen unter Todesstrafe. Ich benötige nicht mal Mut dazu.
Neugier und mein Wunsch zu erzählen, dass Trauma auflösbar ist, und eine Portion Lampenfieber bei neuen Aktivitäten. Spannend, interessant, aufregend, wohlfühlend, leicht und locker. Ich laufe geradezu über vor lauter solchen Empfindungen.
Es entstehen laufend weitere interessante Entdeckungen und auch Erinnerungen. Ich fühle mich sehr lebendig.
"Frauen sind gefährlich" gib es nicht mehr.
Was war passiert, damit der Grundgedanke "ich bin genau richtig, so wie ich bin" entstehen konnte?
Ich konnte ein Gefühl so ähnlich wie Hunger, nur deutlich schwächer, aber unangenehm, seit ungefähr Sommer 2011 klar wahrnehmen. Früher reagierte ich darauf mit: viel essen oder süss essen oder scharf essen oder mit Kaffee, Säften, Zigaretten. Dann entdeckte ich (mit Hilfe von Achtsamkeit, Focussing, EMDR, Innere Bilder), dass ich als Baby von 6 Monaten Sicherheit spüren wollte: essen satt, wenn Hunger; festhalten auf Arm wenn einsam, usw.. Das fehlte mir.
Darauf hin gab ich mit meinen inneren Anteilen, insbesondere den kleinen Kindern, dem 16-jährigen und den jungen Erwachsenen dem Baby immer wieder, was es brauchte, wenn ich das unangenehme Gefühl wie Hunger spürte. Seit Februar 2012 ist das unangenehme Gefühl wie Hunger nicht mehr da.
Dann entdeckte ich, dass mir sofort die Tränen kamen, wenn jemand sagte (zu mir oder so, dass ich es hörte), dass ich etwas getan hätte, was ihr oder ihm gut tat. Nicht als Lob, sondern als Feststellung! Beim Nachspüren erkannte ich, dass es sich dabei um ein Verhalten von mir handelte, welches ich gerne tat, ich mich freute, es tun zu dürfen, welches mir leicht fiel, welches einfach aus mir herausfloss, weil ich so bin, wie ich bin. Ein Verhalten mit dem Gefühl, ich sollte mich bei der anderen Person bedanken, dass ich es tun durfte. Inzwischen muss ich bei derartigen Aussagen nicht mehr weinen.
Ich war so, wie ich bin, und anderen Menschen tat das gut. ...Wow.
Und meine Sexualität?
Nachdem ich 12 Jahre lang bewusst meine Sexualität gespalten betrachtete, entschied ich im Sommer 2011: Schluß damit. Die Sexualitäten werden ab sofort eine! Was das bedeutete, wie das gehen sollte? Ich hatte keine Ahnung.
Ich unternahm auch nichts gezielt, ausser: mich, meine Wahrnehmung und mein Verhalten gegenüber Frauen, meine Sexualität mit mir selber, meine Phantasien genau zu beobachten.
Bis heute sind sozusagen ohne mein bewusstes Zutun viele der alten Elemente meiner Sexualität in Bewegung geraten. Manche Blockaden sind verschwunden, manche Wahrnehmungen deutlich verändert. Ich lerne Sexualität neu. Es ist ungefähr so, wie wenn ein 17-jähriger und ein 57-jähriger sich gemeinsam in einem Körper befinden und die Welt der Liebe erkunden.
Selbermachen
Ich bin überzeugt, dass Heilung von Trauma-Folgen eine Arbeit ist, die jeder Betroffene letztlich selber tut. Ob es sich als 'müssen' oder als 'können' oder als 'dürfen' anfühlt, egal.
Hilfen von Therapeuten, Büchern, Filmen, anderen Personen oder speziellen Selbsthilfegruppen sind allerdings nicht nur sinnvoll, sondern unabdingbar.
Der Punkt ist, man benötigt Mut, Risikobereitschaft, Wissen, Feedback, Gemeinschaftsgefühl, Anregungen, Experimente, Wohlfühlen und nicht zu vergessen: neben dem heilen auch leben.
Aus leben wird lieben, wenn du ein 'i' einfügst.
März 2012 - Udo